Tuesday, October 31, 2006

 

Pseudo- Demokratisierungsprozess der Türkei

Yelda, Juli 2006

Der Demokratisierungsprozess der Türken war 19. Jahrhundert eine “Besänftigung der europäischen Mächte, deren politischen Druck man fürchtete und deren finanzielle Unterstützung man wollte.”[1] Und es ist immer noch so.

Zurzeit sind 67 Autoren und Journalisten in der Türkei vor Gericht. Gerade wurde die Gefängnisstrafe vom armenischen Journalist Hrant Dink bestätigt. Sein Artikel stieß auf Paragraph 301: Beleidigung des Türkentums. 2005, am Vorabend der wichtigen Besprechung mit der EU, erklärte man sich gegen Dinks Bestrafung. Nun ist 3. Oktober 2005 vorüber und die Strafe darf durchgesetzt werden...

Neben den mit Zähneknirschen und nach langwierigem Gezerre verabschiedeten Anpassungsgesetzen gibt es in der Türkei Paragraphen, die gegen die Freiheiten sind und den Widerstand auch von der Regierungspartei AKP. Dieser Islamistenpartei gehören mindestens fünf Abgeordnete an, die mehrere Ehefrauen haben; einer der Polygamisten ist Halil Ürün.[2] Also ist es nicht weiter erstaunlich, wenn man einerseits EU-Anpassungsgesetze zum Beispiel zugunsten der Frauen verabschiedet und wenn gleichzeitig der AKP-Abgeordnete Nurettin Aktaş erklärt, der Ehemann sei der einzige Eigentümer in der türkischen Familie.

In so einer Türkei ist der sunnitisch-islamische Religionsunterricht auch für Nichtmuslime zwangsweise Pflicht. Der Glaubenswechsel ist zwar erlaubt, aber nur in eine Richtung: zum Islam. Aber selbst 400 Jahre nach der Konversion versucht man Sabbataisten auszugrenzen, wie bei der aktuellen Verfolgung so genannter Krypto-Juden. Schon das bloße Gerücht, dass nichtmuslimische Minderheitenstiftungen durch ein EU-Anpassungsgesetz für das ihnen genommene und verstaatlichte Eigentum entschädigt werden sollen, führt zum Terror gegen Nichtmuslime.[3] Während der Krise um die Mohammed-Karikaturen wurde in Trabzon ein katholischer Priester beim Gebet erschossen. Religiös motivierte Hasser brauchen aber nicht immer eine „Krise“: Soeben ist im Juli 2006 ein weiterer Priester auf offener Straße niedergestochen worden.[4]

Das Lieblingsgedicht des türkischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdoğan, dessen Bodyguard ein Folterer ist, heißt denn auch „Die Minarette sind unser Bajonett, die Moscheen unsere Kaserne“.

Aber mit den Vorwürfen der „Islamophobie” und des “Rassismus gegen Türken” verstärkt sich die türkisch-islamische Synthese auch in Europa. Dadurch die von jeglichen Kritiken befreiter türkischer Politik bilden/dominieren die Meinung über die Minderheiten in und aus der Türkei. Die pro-kurdische Zeitung Özgür Politika wurde von der Rot-Grünen Koalition in Deutschland verboten. Nun werden die Kurden zu Wort gerufen, nur wenn es um Ehrenmorde o.ä. geht; nämlich als Täter. Das kurdische Volk und dessen Organisationen werden heute im besten Fall vergessen: Sie, die eine der größten Migrantengruppe, sind zum Integrationsgipfel der Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht eingeladen worden.[5]

Aber dem Kurdenfeind und Genozidleugner Doğu Perinçek erteilt die Redaktion des Berliner Programms Radio Multikulti das Rederecht. Derartige Hetzer wurden von der Werkstatt der Kulturen zu öffentlichen Vorträgen eingeladen, obwohl gleichzeitig der Berliner Polizeipräsident ein Veranstaltungsverbot ausgesprochen hatte.

Türkische Regierungen sollten eigentlich mittlerweile ihre Bevölkerung auf die Integration in die EU vorbereitet haben. Stattdessen wird das Land weiter in den Nationalismus getrieben und im Land islamistische Argumente gegen europäische/westliche Werte verbreitet. Die Kopenhagener Kriterien werden als künstlich gegen uns vom „Christenclub“ aufgestellte Hürden betrachtet. Noch immer wurden die in türkischen Schulbüchern reichlich vorhandenen Rassismen bei Neuauflagen nicht entfernt.

Viele vom türkischen Parlament verabschiedete EU-Anpassungsgesetze werden von der türkischen Regierung selbst übertreten. Eine ganz aktuelle Horrorgeschichte aus der türkischen Hauptstadt veranschaulicht das: Je stärker das Land islamisiert wird, um so mehr wird es zur Hölle auch für die LGBT (Lesben, Gays, Bisexuelle und Transgender): Bad Things are happening in Turkey

Deswegen ist es äußerst fraglich, ob man sich Hoffnung auf Reformen in der Türkei machen darf. Wie am Ende die Türkei und Europa aussehen werden, das verrät uns vielleicht der Erobererjargon der Türken: Man spricht nicht davon, dass man EU-Mitglied werden möchte, sondern das man Europa penetrieren wird...



[1] Zitiert nach Bernard Lewis: Der Untergang des Morgenlandes, bpb, 2002, S. 85

[2] Milliyet, 7.11.05; Hürriyet, 17.5.06

[3] KeHaber, 16.6.06

[4] Dritter Angriff auf christliche Geistliche in der Türkei seit Februar, FR, 4.7.06

[5] Kurden beklagen Ausgrenzung, FR vom 12.07.2006

 

Ehrenamtliche Arbeit in der Türkei

Yelda Özcan hat einen schriftlichen Bericht selbst verfasst:[1]

Bericht von Yelda Özcan:

Wenn an der Bushaltestelle vier Menschen zusammenstanden, um zu warten, kam ein Zivilpolizist und fragte, zu welcher Gruppierung sie gehörten.

Um von bürgerschaftlichen Initiativen sprechen zu können, muss es erst einmal Bürger geben. Vergleicht man die Türkei mit Deutschland, so muss man sagen, dass das Bürgerbewusstsein in der Türkei noch nicht reif ist.

Beim türkischen Roten Halbmond, einem der ältesten Vereine in der Türkei, wollen anders als beim Deutschen Roten Kreuz die Bürger nicht mitmachen. Dieser aus der Osmanischen Zeit stammende Verein ist eine staatliche Institution. Kurz nach der Gründung der Republik 1932 wurden die Halkevleri (Volkshäuser) gegründet, die besonders der Alphabetisierung dienten. 1950 und 1980 wurden sie vom Staat geschlossen. Einen Behindertenverein gibt es seit 1960, 1968 wurde die „Föderation der Meinungsclubs“ (Fikir Klupleri Federasyonu) gegründet, 1986 der Verbraucherschutzverein. Es gibt auch ein paar alte Sport-Clubs in Istanbul, deren Schwerpunkt Fußball ist. Die Mitgliedschaft ist aber sehr teuer. 1986 wurde von Intellektuellen und Verwandten Inhaftierter der Menschenrechtsverein (IHD) gegründet. Sowohl Vereine als auch Stiftungen in der Türkei sind sehr politisiert.

Bürgerinitiativen für Gesundheit, Stammtische für Bayerischsprechende, Beratungsstellen für Senioren usw. gibt es bei uns nicht. Die Türken hatten bisher nicht die Möglichkeit, solche nichtstaatlichen Organisationen zu entwickeln, denn dazu braucht man die Freiheit sich zu organisieren. Aus diesem Grund gibt es auch keine Elterninitiativen oder Nachbarschaftsvereine.

Es gibt aber noch einen zweiten Grund: Er liegt in unserer vom Islam geprägten Kultur, die unseren Alltag stark dominiert. Wenn der Mangel an demokratischer Freiheit der einzige Grund wäre, dann dürften auch die Nichtmuslime in Istanbul keine Initiativen haben. Aber der Alltag der armenischen Kinder z.B. ist eher mit dem deutscher Kinder zu vergleichen als mit dem der Mehrheitskinder Istanbuls. Glücklicherweise habe ich dieses Gemeindeleben beobachten können. So etwas kannte ich vorher nicht. Nach der Schule gehen ihre Kinder immer irgendwohin, zum Chor, zum Tanzen, zum Theaterspielen und Musikunterricht. Man organisiert sein Leben und Gemeindeleben selbst, auch die Frauen sind fast überall aktiv.

Meine erste Erfahrung mit sozialem Engagement habe ich in meiner Gymnasialzeit gemacht: Unterrichtboykott. 1978 bin ich als Minderjährige mit einer linken Gruppe aus meinem Elternhaus geflohen. Ich wurde mehrfach inhaftiert und nach dem Militärputsch am 12.9.1980 durfte ich einen Monat lang Istanbul nicht verlassen. In der Putschzeit habe ich geheiratet und jahrelang zu Hause einen Überfall von den Streitkräften befürchtet.

1989 wurde ich in der Feministischen Bewegung aktiv und engagierte mich in der Istanbuler Niederlassung des Menschenrechtsvereins.

Bei ehrenamtlichem politischem Engagement drohen Festnahme und Folter, aber anderseits sammelt man wertvolle Erfahrungen und kommt in ein neues Netzwerk von Menschen, die sich auch engagieren.

Wider meine Erwartung wurde ich bei der Veranstaltung der Neuköllner Stiftung öfter besonders nach „nichtpolitischer“ ehrenamtlicher Arbeit und Vereinen gefragt. Aber was ich als „Bürgerengagement“ gut kenne, ist alles politisch.

Als ich zur Welt kam, spürte man noch den Putsch von 1960. Den Putsch von 1971 habe ich als ein kleines Mädchen erlebt. Und der Putsch 1980 hat mein ganzes Leben geprägt.

Frage aus dem Publikum:

„Hier in Berlin fällt auf, dass türkische Eltern sich aus der Schule heraushalten, dass sie nicht in die Elternabende kommen und für Schulaktivitäten schwer zu gewinnen sind. Womit hat das zu tun?“

Antwort:

Das liegt nicht an der beschriebenen politischen Situation der letzten Jahrzehnte, sondern am traditionellen Verständnis von Schule: Die Schule wird als Institution angesehen, die die Kinder nicht nur unterrichtet, sondern auch erzieht, die Lehrer sind Autoritäten. Man muss den türkischen Eltern hier erst erklären, dass die Schulen in Berlin sich ihre Mitarbeit wünschen, dass sie sich also interessieren und einbringen sollten. Es fehlt, aus traditionellen Gründen, eben weil die Schule als autoritäre Erziehungsinstanz angesehen wird, und aufgrund der politischen Situation, die eine bürgerschaftliche Entwicklung in der Türkei bisher so stark gebremst hat, das Gefühl dafür, das z.B. die Schule der Kinder „unsere Schule“ ist, also eine Institution, mit der man sich identifiziert. Für die man sich einsetzen und die man auch mitgestalten kann. Dieses Gefühl „unsere Straße“, „unser Viertel“, „unsere Schule“, das in Berlin Menschen antreibt, sich zu engagieren – für ihre Kita, für soziale Belange, für die Begrünung von Hinterhöfen oder so, fehlt bei vielen Menschen in den türkischen Städten. Sie hatten bisher nicht die Möglichkeit das zu entwickeln, denn dazu braucht man die Freiheit sich zu organisieren.



[1] Dokumentation der Neuköllner Bürgerstiftung 2006.


 

1915- Warten auf Anerkennung

Missbrauch des Kampfes gegen den Rassismus

Yelda, 2005

Dank des Antrags von CDU-CSU wurde endlich das Schweigen Deutschlands gebrochen.[1] Daraufhin machte der türkische Botschafter der Union den Vorwurf „sich zum Sprecher des fanatischen armenischen Nationalismus machen"… Die türkische Gemeinde zu Berlin bedrohte die Stadt Berlin mit Aggression: „Solche Provokationen gefährden den sozialen Frieden in der Stadt"…

Während in der Türkei, in der die Minderheiten fast wie Geiseln leben, die Nationalisten mit Unterstützung der Regierung Menschenrechtler mit Lynch und Massenmord bzw. Pogrom bedrohen, machen Türken in Europa, die die offiziellen Interessen der Türkei vertreten, denjenigen Rassismus-Vorwürfe, die die Umgang ihrer Geschichte fordern: man führe antitürkische Kampagne. Diese türkische Politik ist ein Missbrauch des Kampfes gegen den Rassismus.
Wenn die Türken nicht selbst und allein an der Macht sind, sind sie unruhig, „empfindlich“, „sensible".
Wenn man die Türkei aufruft, ihre historische Verantwortung zu tragen, sind die Türken in Deutschland dagegen. Die Nachfolgenden der Täter versuchen, die Annerkennung des Völkermords an den Armeniern als Thema auch in Deutschland zu tabuisieren und sich in Deutschland (in Europa) als Opfer darzustellen.

Sie haben angefangen, die Verbrecher öffentlich in Berlin zu ehren, und hier lebende Nachfolgende der Opfer zu beleidigen: Die Türkische Gemeinde zu Berlin hat vor ein paar Wochen eine Kranz für den Verbrecher Talat Pascha niedergelegt.

Da die Vergangenheitsbewältigung der Türken in Deutschland der in der Türkei gleicht – wo „Mein Kampf" Bestseller ist - ist sie sehr bedenkenswert. Sie bekommen deutsche Staatsbürgerschaft ohne Ahnung von Umgang mit der Geschichte.
Der Nationalismus, Rechtextremismus entstehen aus Unkenntnis, wird gesagt. Also müssen hier in Deutschland, um ein friedliches Zusammenleben zu schaffen, besonders türkische Jugendlich auch über diese dunkle Vergangenheit unterrichtet werden. Hätte das Deutsche Parlament diesen Völkermord anerkannt, würden hier geborene Türken dann mehr die demokratischen Werte lernen.

Die Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern durch den Bundestag wäre ein richtiger Schritt auch gegen den türkischen Rechtsextremismus in Deutschland.
Yelda Özcan, http://groups.msn.com/yeldacano




 

Gedenktag oder Feiertag

Türken am 24. April in Berlin

Yelda, 2005

Das türkische Kinderfest wurde dies Jahr in Berlin nicht nur am 23. April, sondern auch am 24. April gefeiert. Eigentlich aber der 24. April ist der Gedenk- und Trauertag für die Toten des Genozids von 1915.

Nach dem türkischen Genozid an den Armeniern sind 90 Jahre vergangen. Über anderthalb Millionen Armeniern wurden damals 1915 auf dem Gebiet der heutigen Türkei vernichtet. Überlebende sind auf die Welt zerstreut, haben keine Heimat mehr. Es gibt nun Diaspora- Armenier, manche auch in Deutschland. Die Nachfolger der Opfer sind da, aber merkwürdiger weise gibt es keine Täter: Unsere Seite verleugnen überall.

An dem Trauertag haben die türkische Gemeinde zu Berlin gefeiert, und feiern lassen. (Internationales Kinderfest "23 Nisan" „Das größte Familien-Event Deutschlands“- 23. und 24. April 2005: Brandenburger Tor- Siegessäule!!)

Als eine Unterstützung zur Gemeinde noch eine Verfälschung von einem türkischen Journalist, Ayhan Bakirdögen: „Der 23 April ist fast heilig für die Türken". Und wenn man die Nachricht vom Bakirdögen list, kann die Türkei ein Kinderfreundliches Land sehen. Denn der Journalist erwähnt das nicht: Diese Türkei hat die UNO-Kinderrechtskonvention nur ratifiziert, ohne den Paragraphen 17., 29. und 30., die die Rechte der Minderheitenkinder regulieren, zu akzeptieren.

Selbst in der Türkei ist der 23. April gar nicht heilig. Das ist eine neue Erfindung (Ausrede) gegen die Armenier in Berlin. Bei diesem Schulfeiertag geht es hauptsächlich um die türkische nationale Herrschaft, und der Tag heißt wörtlich: National Herrschaft- und Kinderfest, mehr nicht.

Es gibt tatsächlich einen Internationaler Tag der Rechte des Kindes: und zwar am 20. November. Jedes Jahr an diesem Tag, an dem die UNO-Konvention über die Rechte des Kindes verabschiedet wurde, ist Tag des Kindes und weltweit der Tag der Kinderrechte.

Die türkische Gemeinde zu Berlin sollte eigentlich am 20. November feiern, wenn es nicht um türkischen Nationalismus, sondern Kinder auf der Welt ginge. Sie aber demonstriert lieber mit der türkischen Fahne, die heute auf den Straßen der Türkei mit Lynch-Stimmung droht, die ein Foltermittel zum Beispiel gegen Kurden in den Gefängnissen ist.


 

Während des Balkankrieges

Holocaust ohne Juden

Yelda, Mai 1999

„Im Vergleich zu den Serben waren die Nazis die reinsten Engel“...[1]

„Der letzte Völkermord des Jahrhunderts wird von den Serben verübt!! Slawischer Wesenszug. Nun zeigt sich ganz deutlich, dass die slawische Rasse, deren Charakterzug es ist, die Geschichte hindurch auf dem Balkan Komplotte zu schmieden, Streit und Aufstände anzuzetteln, auf der Suche nach neuen Abenteuern ist.“ [2]

Unter der Überschrift „Wie Schindler’s Liste, wird über die in Eisenbahnzügen vor den „serbischen Massakern“ flüchtenden Albaner berichtet. [3]

„Die Serben überrennen die Kosovaren mit gesteigertem Hass und einer Brutalität, die die der Nazis übersteigt“. [4] Sükran Soner, die in der Linken angesiedelt ist, zeigt damit ihren Wissensstand über die Verbrechen der Nazis. Während sie zwischen den Zeilen erwähnt, dass ihr Onkel Botschafter ist, kritisiert er Europa: „Während die PKK in Europa politische und materielle Unterstützung findet, geht die UCK leer aus.“

Die Türkischen Zeitungen, die den Holocaust banalisieren, ja die wirklich schuldigen Täter als Unschuldsengel darstellen, verschonen uns im Ausland nicht von den eben zitierten Ansichten....Als eine Leserin der türkischen Presse, die seit Dezember 1998 in Hamburg lebt, fiel mir beim Durchsehen der türkischen Zeitungen einiger Monate auf, dass die türkischen Zeitungen mit Massenauflage hier von einigen (kritischen/demokratischen) Kommentatoren „bereinigt“ erscheinen. Dagegen werden von Journalisten wie z.B. Gülay Göktürk, die es als „Verletzung der Meinungsfreiheit“ ansieht, wenn man versucht, den Unverschämtheiten von Revisionisten (Leugner des Holocaustes) wie Roger Garaudy einen Riegel vorzuscheiben und die ihre Leserschaft auf die antisemitischen web-Seiten des İnternet einlädt, in der Europaausgabe sämtliche Artikel abgedruckt.

Neben all den Artikeln, die aus den Türkeiausgaben der jeweiligen Zeitungen ausgesucht wird, hat jede Zeitung ihre speziell für die Leserschaft in Europa erstellten Seiten, Beilagen und Magazine. Es werden ausschließlich die Sendungen der türkischen Fernsehkanäle oder die von Türken organisierten Veranstaltungen angekündigt, die plattesten nationalistischen Kommentatoren oder als angebliche Leserbriefe veröffentlichte rassistische Gedichte werden veröffentlicht.

Wenn wir uns dagegen als eine vernünftige Zeitung die Evrensel betrachten, die nicht zu dieser nationalismusschäumenden Presse gehört, lass uns sehen, was wir dort finden:

Zunächst ist es bereits ein deutlicher Unterschied, dass die Evrensel ihre Leserschaft auch über Veranstaltungen und Ereignisse unterrichtet, die nicht von Menschen aus der Türkei organisiert werden. Als weitere positive Besonderheit fällt mir auf, dass die Evrensel im Vergleich zu den Presseorganen in der Türkei sehr viel mehr Nachrichten und Hintergrundberichte über die Nazizeit veröffentlicht. Allerdings überwiegend in der Europabeilage.... Soweit die positiven Seiten... Dagegen steht allerdings wie diese Nachrichten gebracht werden:

So taucht sich in einem Artikel mit der Überschrift „Entschädigungsverfahren der Naziopfer“ kein einziges Mal das Wort „Jude“ auf; sondern die Opfer werden durchgängig als „amerikanische und polnische Opfer der Nazis“ bezeichnet, oder als „amerikanische Zwangsarbeiter“ [5] Auch in einer Spalte, in der die Leser über Veranstaltungen in verschiedenen Städten der BRD unterrichtet werden, finden sich die Rubriken „Gedenkveranstaltungen zu Gewalt und Widerstand während des Hitlerfaschismus“ sowie antifaschistische Stadtrundfahrten, es findet sich jedoch wiederum kein einziges Mal das Wort „Jude“ [6] Über die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht 1941-44 wird auf einer ganzen Seite berichtet, jedoch wieder ohne die Identität der Opfer zu benennen. Auch in einem halbseitigen Artikel, der über die Professoren berichtet, die während des Faschismus als Flüchtlinge aus Deutschland in die Türkei kamen und dort ganze Fachbereiche aufbauten und Wissenschaftler ausbildeten, wird nicht einmal erwähnt, dass es sich bei ihnen zum überwiegenden Teil im Juden handelte.[7] Ein anderer Artikel auf der Europaseite, der sich mit der „Zwangsarbeit“ in der Nazizeit beschäftigt, beschränkt sich nicht darauf, die Juden nicht zu erwähnen sondern zählt die Identität der Opfer als „Kommunisten, Sozialdemokraten, Pastoren..“ auf. [8] Das kann nun wohl kaum mehr mit unserer berühmten türkischen Vergesslichkeit erklärt werden, da der juristische Kampf gegen diese unmenschlichen Behandlungen noch anhält und in Deutschland fast täglich in den Nachrichtensendungen Erwähnung findet.

Schließlich taucht das Wort „Jude“ doch noch ein mal auf und zwar in einem von Server Derbentli gezeichneten Artikel, dort allerdings in Verbindung mit dem Wort „Komplott“!! Er vertritt die Ansicht, dass nur das Kapital, die Konzerne schuldig seien, und sich die Entschädigungsforderungen der Opfer „der Faschismus- und Kriegszeit“ ausschließlich an diese zu richten haben. „Wenn heute ein deutscher Historiker die Kriegsverbrechen von Konzernen wie Krupp und anderen mit dem gleichsetzt, was ein (deutscher) Bauer, der dazu gezwungen wurde, auf seinen Feldern Kriegsgefangene arbeiten zu lassen diesen an Schuld angetan hat, dann verzerrt der Historiker die Geschichte. Während der eine an der Ermordung von Hunderttausenden Menschen Milliarden verdient hat, tat es der andere, weil es keine anderen Arbeitskräfte gab und er von den Faschisten dazu gezwungen wurde.“ [9]

Es lohnt sich darüber nachzudenken, ob diese Person (der Autor) eventuell deshalb über diese Reflexe verfügt, weil er weiß, dass die Bevölkerungsgruppe der er selbst angehört, mit ähnichen Anschuldigungen und Forderungen konfrontiert ist. .. Woher kommt denn die Sympatie gegenüber den deutschen Bauern? Wie soll man sich erklären, dass die Bauern, die Kriegsgefangene unter Zwang und Unterdrückung ohne Lohnzahlungen für sich haben arbeiten lassen, mit einem Bleistiftstrich entschuldet werden, und als unschuldig ja fast selbst als Opfer dargestellt werden? Und das, wo denselben Bauern, immer wenn es um die Rechte von Türken in der Bundesrepublik geht, ständig ihre Nazivergangenheit vorgeworfen wird...

Falls es noch immer Zweifler gibt, die vermuten, dass es sich bei den Sklaven- und Zwangsarbeitern um Juden handelte, dann geht die Evrensel in ihrer Sonntagsbeilage noch einmal auf dieses Thema ein.In einem Artikel der aus derBerliner Morgenpost übersetzt wurde und mit Britta Petersen unterzeichnet ist, wird eine Georgia Peet als Beispiel hervorgekehrt „wie die große Mehrheit von acht Millionen Sklavenarbeitern des dritten Reiches, hat auch sie noch keinerlei Entschädigung erhalten.“ Weiter heißt es: “Georgia Peet ist davon überzeugt, dass sie von diesen Klagverfahren nichts hat. Im Gegenteil, genau wie die Entschädigungswelle der 50-er Jahre wird lediglich den Juden Geld gezahlt. Sie glaubt, dass die politische Gefangenen, Zigeuner, Homosexuellen sowie die übrigen von Nazideutschland als Sklavenarbeiter Ausgebeuteten alle leer ausgehen werden.“ [10]

Ist das nicht zum Bedauern? Schon wieder werden die Juden das Geld bekommen! Mit unserer linken Tradition, die alle Details und Bedingungen der Machtergreifung Hitlers genauestens untersucht haben außer dem Antisemitismus, sind wir (immer noch) Antifaschisten, die die Nazis verdammen, ohne vom Holocaust zu sprechen und den Judenhass überhaupt zu erwähnen.....

Übersetzung: Corry Görgü



[1] 10.4.’99 Hürriyet.

[2] Kenan Akin, 31.3.’99, Türkiye

[3] 3.4.’99 Hürriyet.

[4] 3.4.’99 Cumhuriyet.

[5] 13.2.’99 Evrensel.

[6] 6.4.’99 Evrensel.

[7] 24.1.’99 Evrensel Europa-Beilage

[8] Fahri Baykara, 12.2.’99

[9] 19.2.’99 Evrensel

[10] 21.2.’99


 

Nur Juden und alle Juden

Nur sie? Und alle?

Yelda

Über das Symposium Europa und die Türkei, das am 4. Dezember 1995 gemeinsam von den Grünen im Europäischen Parlament und Bilar Istanbul organisiert wurde, wurde in den Medien mehr oder weniger berichtet. Ich möchte hier von einem Gespräch berichten, das sich unter mehrheitlich linksgerichteten TeilnehmerInnen auf den Gängen des Ciragan Palastes zugetragen hat, eine wahre Katastrophe. Unter den TeilnehmerInnen waren auch zwei feministische Freundinnen von mir. Besonders eine mag ich sehr gerne. Wir treffen uns nicht sehr oft, aber wenn wir uns treffen, freue ich mich sehr. Als wir uns begegneten, sah ich schlecht aus, wahrscheinlich weil ich gerade aus Diyarbakir zurückgekommen und unausgeschlafen war. Sie war sehr liebevoll zu mir, ja sie hat mich sogar verwöhnt. Als ich sie dann fragte, was denn sie so mache, war ihre Antwort wie eine schallende Ohrfeige für mich: “Ich unterrichte jüdische Bastarde”… Wie bitte? “Äh, ich hätte natürlich nicht Bastarde sagen sollen”… So hat sie dann ihren Feminismus bewiesen, aber nur den Feminismus. Ich versuchte, Ruhe zu bewahren und fragte sie, warum sie sie so nenne. “Aber das Geld haben sie… Noch dazu, sind ihre Kinder verwöhnt”… Eine, die sowohl links steht, als auch Feministin ist; wer könnte mir näher stehen? Wenn diejenigen, die so nah zu mir stehen, so reden, so denken… Ich wurde sprachlos, konnte nicht darüber diskutieren. Die andere Freundin, auch eine Feministin, ergriff das Wort, erzählte von ihren Erfahrungen und unterstützte die Andere. “Ich bin Fremdenführerin. Diese Israeliten, diese Juden, bringen einen in Verruf. Bringst du sie in ein Restaurant, wollen sie nicht zahlen, fangen an zu rechnen…”

Stellen nur Juden Berechnungen an? Machen alle Juden Berechnungen? Sind nur die Juden reich, ihre Kinder verwöhnt? Sind alle Juden reich und alle ihre Kinder verwöhnt? Wenn wer kontrollieren möchte, ob das Gesagte rassistische Vorurteile enthält, soll sich bei Verallgemeinerungen fragen: Nur sie, und alle?

Übersetzung aus dem Buch „Çoğunluk Aydınlarında Irkçılık“ (Rassismus in majorität Intellektuellen): Zeynep Taşkın


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