Tuesday, October 31, 2006

 

Während des Balkankrieges

Holocaust ohne Juden

Yelda, Mai 1999

„Im Vergleich zu den Serben waren die Nazis die reinsten Engel“...[1]

„Der letzte Völkermord des Jahrhunderts wird von den Serben verübt!! Slawischer Wesenszug. Nun zeigt sich ganz deutlich, dass die slawische Rasse, deren Charakterzug es ist, die Geschichte hindurch auf dem Balkan Komplotte zu schmieden, Streit und Aufstände anzuzetteln, auf der Suche nach neuen Abenteuern ist.“ [2]

Unter der Überschrift „Wie Schindler’s Liste, wird über die in Eisenbahnzügen vor den „serbischen Massakern“ flüchtenden Albaner berichtet. [3]

„Die Serben überrennen die Kosovaren mit gesteigertem Hass und einer Brutalität, die die der Nazis übersteigt“. [4] Sükran Soner, die in der Linken angesiedelt ist, zeigt damit ihren Wissensstand über die Verbrechen der Nazis. Während sie zwischen den Zeilen erwähnt, dass ihr Onkel Botschafter ist, kritisiert er Europa: „Während die PKK in Europa politische und materielle Unterstützung findet, geht die UCK leer aus.“

Die Türkischen Zeitungen, die den Holocaust banalisieren, ja die wirklich schuldigen Täter als Unschuldsengel darstellen, verschonen uns im Ausland nicht von den eben zitierten Ansichten....Als eine Leserin der türkischen Presse, die seit Dezember 1998 in Hamburg lebt, fiel mir beim Durchsehen der türkischen Zeitungen einiger Monate auf, dass die türkischen Zeitungen mit Massenauflage hier von einigen (kritischen/demokratischen) Kommentatoren „bereinigt“ erscheinen. Dagegen werden von Journalisten wie z.B. Gülay Göktürk, die es als „Verletzung der Meinungsfreiheit“ ansieht, wenn man versucht, den Unverschämtheiten von Revisionisten (Leugner des Holocaustes) wie Roger Garaudy einen Riegel vorzuscheiben und die ihre Leserschaft auf die antisemitischen web-Seiten des İnternet einlädt, in der Europaausgabe sämtliche Artikel abgedruckt.

Neben all den Artikeln, die aus den Türkeiausgaben der jeweiligen Zeitungen ausgesucht wird, hat jede Zeitung ihre speziell für die Leserschaft in Europa erstellten Seiten, Beilagen und Magazine. Es werden ausschließlich die Sendungen der türkischen Fernsehkanäle oder die von Türken organisierten Veranstaltungen angekündigt, die plattesten nationalistischen Kommentatoren oder als angebliche Leserbriefe veröffentlichte rassistische Gedichte werden veröffentlicht.

Wenn wir uns dagegen als eine vernünftige Zeitung die Evrensel betrachten, die nicht zu dieser nationalismusschäumenden Presse gehört, lass uns sehen, was wir dort finden:

Zunächst ist es bereits ein deutlicher Unterschied, dass die Evrensel ihre Leserschaft auch über Veranstaltungen und Ereignisse unterrichtet, die nicht von Menschen aus der Türkei organisiert werden. Als weitere positive Besonderheit fällt mir auf, dass die Evrensel im Vergleich zu den Presseorganen in der Türkei sehr viel mehr Nachrichten und Hintergrundberichte über die Nazizeit veröffentlicht. Allerdings überwiegend in der Europabeilage.... Soweit die positiven Seiten... Dagegen steht allerdings wie diese Nachrichten gebracht werden:

So taucht sich in einem Artikel mit der Überschrift „Entschädigungsverfahren der Naziopfer“ kein einziges Mal das Wort „Jude“ auf; sondern die Opfer werden durchgängig als „amerikanische und polnische Opfer der Nazis“ bezeichnet, oder als „amerikanische Zwangsarbeiter“ [5] Auch in einer Spalte, in der die Leser über Veranstaltungen in verschiedenen Städten der BRD unterrichtet werden, finden sich die Rubriken „Gedenkveranstaltungen zu Gewalt und Widerstand während des Hitlerfaschismus“ sowie antifaschistische Stadtrundfahrten, es findet sich jedoch wiederum kein einziges Mal das Wort „Jude“ [6] Über die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht 1941-44 wird auf einer ganzen Seite berichtet, jedoch wieder ohne die Identität der Opfer zu benennen. Auch in einem halbseitigen Artikel, der über die Professoren berichtet, die während des Faschismus als Flüchtlinge aus Deutschland in die Türkei kamen und dort ganze Fachbereiche aufbauten und Wissenschaftler ausbildeten, wird nicht einmal erwähnt, dass es sich bei ihnen zum überwiegenden Teil im Juden handelte.[7] Ein anderer Artikel auf der Europaseite, der sich mit der „Zwangsarbeit“ in der Nazizeit beschäftigt, beschränkt sich nicht darauf, die Juden nicht zu erwähnen sondern zählt die Identität der Opfer als „Kommunisten, Sozialdemokraten, Pastoren..“ auf. [8] Das kann nun wohl kaum mehr mit unserer berühmten türkischen Vergesslichkeit erklärt werden, da der juristische Kampf gegen diese unmenschlichen Behandlungen noch anhält und in Deutschland fast täglich in den Nachrichtensendungen Erwähnung findet.

Schließlich taucht das Wort „Jude“ doch noch ein mal auf und zwar in einem von Server Derbentli gezeichneten Artikel, dort allerdings in Verbindung mit dem Wort „Komplott“!! Er vertritt die Ansicht, dass nur das Kapital, die Konzerne schuldig seien, und sich die Entschädigungsforderungen der Opfer „der Faschismus- und Kriegszeit“ ausschließlich an diese zu richten haben. „Wenn heute ein deutscher Historiker die Kriegsverbrechen von Konzernen wie Krupp und anderen mit dem gleichsetzt, was ein (deutscher) Bauer, der dazu gezwungen wurde, auf seinen Feldern Kriegsgefangene arbeiten zu lassen diesen an Schuld angetan hat, dann verzerrt der Historiker die Geschichte. Während der eine an der Ermordung von Hunderttausenden Menschen Milliarden verdient hat, tat es der andere, weil es keine anderen Arbeitskräfte gab und er von den Faschisten dazu gezwungen wurde.“ [9]

Es lohnt sich darüber nachzudenken, ob diese Person (der Autor) eventuell deshalb über diese Reflexe verfügt, weil er weiß, dass die Bevölkerungsgruppe der er selbst angehört, mit ähnichen Anschuldigungen und Forderungen konfrontiert ist. .. Woher kommt denn die Sympatie gegenüber den deutschen Bauern? Wie soll man sich erklären, dass die Bauern, die Kriegsgefangene unter Zwang und Unterdrückung ohne Lohnzahlungen für sich haben arbeiten lassen, mit einem Bleistiftstrich entschuldet werden, und als unschuldig ja fast selbst als Opfer dargestellt werden? Und das, wo denselben Bauern, immer wenn es um die Rechte von Türken in der Bundesrepublik geht, ständig ihre Nazivergangenheit vorgeworfen wird...

Falls es noch immer Zweifler gibt, die vermuten, dass es sich bei den Sklaven- und Zwangsarbeitern um Juden handelte, dann geht die Evrensel in ihrer Sonntagsbeilage noch einmal auf dieses Thema ein.In einem Artikel der aus derBerliner Morgenpost übersetzt wurde und mit Britta Petersen unterzeichnet ist, wird eine Georgia Peet als Beispiel hervorgekehrt „wie die große Mehrheit von acht Millionen Sklavenarbeitern des dritten Reiches, hat auch sie noch keinerlei Entschädigung erhalten.“ Weiter heißt es: “Georgia Peet ist davon überzeugt, dass sie von diesen Klagverfahren nichts hat. Im Gegenteil, genau wie die Entschädigungswelle der 50-er Jahre wird lediglich den Juden Geld gezahlt. Sie glaubt, dass die politische Gefangenen, Zigeuner, Homosexuellen sowie die übrigen von Nazideutschland als Sklavenarbeiter Ausgebeuteten alle leer ausgehen werden.“ [10]

Ist das nicht zum Bedauern? Schon wieder werden die Juden das Geld bekommen! Mit unserer linken Tradition, die alle Details und Bedingungen der Machtergreifung Hitlers genauestens untersucht haben außer dem Antisemitismus, sind wir (immer noch) Antifaschisten, die die Nazis verdammen, ohne vom Holocaust zu sprechen und den Judenhass überhaupt zu erwähnen.....

Übersetzung: Corry Görgü



[1] 10.4.’99 Hürriyet.

[2] Kenan Akin, 31.3.’99, Türkiye

[3] 3.4.’99 Hürriyet.

[4] 3.4.’99 Cumhuriyet.

[5] 13.2.’99 Evrensel.

[6] 6.4.’99 Evrensel.

[7] 24.1.’99 Evrensel Europa-Beilage

[8] Fahri Baykara, 12.2.’99

[9] 19.2.’99 Evrensel

[10] 21.2.’99


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