Monday, January 21, 2008

 

Nach der Ermordung von Hrant Dink

Ansprache auf der AGA-Gedenkveranstaltung IN MEMORIAM HRANT DINK: Minderheiten schützen, Menschenrechte verteidigen!

Berlin, 19. Januar 2008

Nach Der Ermordung Von Hrant Dink

Yelda

Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Freundinnen und Freunde,

Nach der Ermordung Hrant Dinks entstanden zwei Arten von Freuden unter meinen Landsleuten: Wie die Grauwölfe und ähnliche sich gefreut haben, ist allen bekannt und war zu erwarten. Aber dass ihre Landsleute in Istanbul zahlreich auf der Straße waren und “Wir alle sind Armenier” riefen, hat auch die „internationalistischen“ Türken in Deutschland sehr gefreut, so sehr gefreut, dass ihre Freude größer war als ihre Trauer um den armenischen Journalisten.

Menschen, die sonst der westlichen Welt “hey, was guckst du” sagen, wollten diesmal das zeigen: Hey, guck mal, die Türken sagen: Wir sind Armenier; wie lieb doch unsere Leute sind! Der Stolz, der türkische Makel.

Was die Leute ein, zwei Tage später über die Ermordung Hrants sagten, war wie eine Rede im Glück. Alle Armenier waren und sind jedoch in einer tiefen Traue um Hrant. Das ist ein Unterschied zwischen den Nachfolgern der Täter und der Opfer.

Aber manche oppositionelle Türken gründen Initiativen und sagen, wir sind die Opfer und die Verfechter dieses Prozesses[1]. Wenn es um ein Opfer-Sein geht, übernehmen solche Menschen diese Rolle gerne. Ein Reflex von Menschen mit muslimischem Hintergrund.

Kurz danach – nach dem Verbrechen - begannen solche Leute in der Türkei ebenso wie in Deutschland den Ermordeten zu ihrem besten Freund zu erklären: „Hrant war mein Freund“, „der beste Freund“.

So schließen Türken Freundschaft mit den Armeniern, mit den nicht mehr lebenden. Nicht mehr existierende Minderheiten sind ihnen lieb.

Deswegen ist es nicht zu überraschen, dass viele Türken keine Freundschaft mit Kurden oder Aleviten schließen. Immerhin existieren diese noch, trotz aller Vernichtungsversuche. So haben die in Deutschland hochgelobte islamistische AKP-Regierung und alle anderen türkischen Politiker im Parlament grünes Licht für die militärische Operation gegen Kurden geben können, ohne zu zögern.

Holocaust-Leugnung ist anscheinend ein Recht. Unter Meinungsfreiheit versteht der linke-Kandidat bei der letzten Wahl, Baskin Oran, genau das, als er zur Verteidigung des inzwischen in der Schweiz verurteilten Genozid-Leugners Doğu Perinçek: „Ich erinnere mich als wäre es heute, dass Hrant mir am Telefon folgendes sagte: ‚Ich bin dafür, dass selbst der Genozid an den Juden diskutierbar sein sollte. Ich kann ein diesbezügliches Verbot nicht akzeptieren.’... Ich denke genauso wie Hrant... Ebenso, wie man das Recht hat zu sagen, dass es einen Genozid gab, gibt es auch das Recht zu sagen, dass es keinen gegeben hat.“ [2]

Sehr verbreitet ist der Hass gegenüber Nichtmuslimen, wie das religiös motivierte Massaker vom 18. April 2007 in Malatya gezeigt hat. Besonders sage ich „Nichtmuslimen“, denn es gibt Hass nicht nur gegen Christen, sondern auch gegen Juden.

Ich hasse den Hass.

Aber viele der in Deutschland türkisch denkenden Menschen vermögen es nicht einmal, die türkischen Mörder richtig verurteilen: Gegen wen hier ein “hassproduzierende” -Vorwurf erhoben wird, ist schwer zu verstehen:
Wir haben uns heute wieder hier versammelt als diejenigen, die angesichts dieses unfassbaren Verbrechens keinen Hass entwickeln, sondern Verantwortung übernehmen für eine aufgeklärte Zukunft unseres Landes. Als Opfer und Verfechter dieses Prozesses, um diesen großen Schmerz gemeinsam zu tragen, für Gerechtigkeit, Frieden und Brüderlichkeit.“ [3]

Wenn wir die Leugnungspolitik der Türkei nicht übernehmen wollen, müssen in Berlin konkrete Taten statt nostalgischer Reden („Er war mein bester Freund“ usw.) folgen. Folgendes schlage ich vor:

1- Im türkischen Sehitlik (Märtyrertum)-Friedhof am Columbiadamm werden die Täter als Märtyrer geehrt: Cemal Azmi und Bahattin Şakir. Noch dazu errichtet man auf diesem türkischen Friedhof eine Şehitlik-Moschee (zwischen 1999 und 2005). Das muss in Frage gestellt werden.

2- In den letzten Jahren hat auch die türkische Gemeinde in Deutschland den 24. April, diesen Trauertag, zu einem Feiertag gemacht. Der 23. April ist in der Türkei das Fest der Nationalherrschaft und ein Kinderfest. Hier in Deutschland unterschlägt man das Nationale und nennt das Fest: Internationales Kinderfest! „Oh, die Türkei ist ein kinderfreundliches Land!“ Es gibt eigentlich schon einen internationalen Tag des Kindes, aber die meisten Türken wollen lieber am Trauertag der armenischen Genozidopfer ein Fest feiern. Das muss nicht mehr erlaubt sein.

3- In einer Email-Gruppe sagt ein Istanbuler Armenier Folgendes: Ich will hier in Ruhe, in Sicherheit, mit meiner Identität, ohne bedroht zu werden, leben können, und ich will die Türkei nicht verlassen.[4]

Für die nichtmuslimischen Einheimischen ist die Türkei immer noch eine gefährliche Heimat. Es muss aufhören, in Deutschland die türkische Regierung zu loben, wenn die Nichtmuslime dort in Angst leben müssen.

4- Gerechtigkeit: Wie in der Schweiz und in Spanien sollte auch in Deutschland Genozidleugnung strafbar sein. Denn wir dürfen nicht vergessen und vergessen lassen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Mein herzliches Beileid nochmals den Hinterliebenen. Trauer um Hrant und alle Opfer des türkischen Genozides im Jahre 1915.



[1] “Hrant Dink davasının mağdurları ve takipçileri”www.hranticinadalet.com

[2] Hrant’ın bana telefonda şunu dediğini bugün gibi hatırlıyorum: “Yahudi jenositinin bile tartışılabilmesinden yanayım. Bunun yasaklanmasını kabul edemiyorum”. ...Aynen Hrant gibi düşünüyorum. ...Jenositin olduğunu söylemek hakkı kadar, olmadığını söylemek hakkı da vardır. (Perinçek davasının dersleri,30/12/2007 http://www.radikal.com.tr/ek_haber.php?ek=r2&haberno=7827

[3] Bu akil almaz cinayetten nefret uretmeyen onurlu kalabaliklar olarak, ulkemizin aydinlik gelecegine sahip cikmak icin, buyuk acimizin yukunu birlikte tasimak icin, adalet icin, baris icin, kardeslik icin, Hrant Dink davasinin magdurlari ve takipcileri olarak yeniden bulusuyoruz.” www.hranticinadalet.com

[4] „Terk etmeyi değil, huzurla, güvenle, kimliğimle, olduğum gibi ve tehdit edilmeden yasamak istiyorum“.


Comments:
vielen Dank, dass du diese kämpferische, gute Rede online zugänglich gemacht hast; ich wünsche ihr viel Aufmerksamkeit und eine weite Verbreitung!
Schöne Grüße
Susanne
 
Danke Yelda!

Leider konnte ich bei der Veranstaltung nicht da sein. Ich habe den kompletten Beitrag bei Kurdmania gepostet. Ich hoffe, das ist für Dich ok!

Liebe Grüße

Steffi
 
Bin bei Kurdmania auf deinen Text gestoßen und er gefiel mir wirklich sehr. Es würde mich sehr freuen, wenn du mehr solcher Texte veröffentlichen könntest.
 
Hat er gut gemacht...wenn andere noch weiter so einen schei... reden über die Türkei, die werden einzelt umgebracht.
 
Wir danken Ogün und seine Kompanen...
 
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